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Flachdachentwässerung:

Arbeiten in der Grauzone

Probleme hat kein Dachdecker gern. Aber einige tauchen mit gewisser Regelmäßigkeit auf. Bei der Ursachenforschung stößt man auf die Grauzonen, in denen Regelwerke für die Entwässerung flacher Dächer Interpretationsspielräume geben, die in der Praxis oft zu großzügig ausgelegt werden.

Fachbericht

Im deutschen Rechtsraum gibt es eine Vielzahl von Richtlinien und DIN-Normen, die für die Ausführung von Gewerken maßgeblich sind und im Reklamationsfall auch als Entscheidungskriterien fungieren. Die wichtigsten Forderungen für Dachdecker sind in der Flachdachrichtlinie und in den DIN-Normen festgeschrieben. Von der Praxis manches Mal als bürokratische Einschränkung oder Willkür empfunden, haben sie aber auch viel Gutes. Sie leisten Beiträge, dass „deutsche Handwerksarbeit“ im europäischen Vergleich auch heute noch einen besonders guten Ruf genießt. Kaum eine Arbeits- und Anwendungssituation, die nicht mit entsprechenden Kommentaren belegt und beschrieben wird, womit sich Regelwerke als erstklassige Leitlinie für mängelfreie, fachgerechte Gewerke profilieren. Aber keine Regel ohne Ausnahme. Nicht immer sind die Regelwerke absolut eindeutig. Diese Interpretationsspielräume eröffnen Grauzonen, in denen Vorschriftenwelt und Praxis nicht absolut deckungsgleich sind.

Grauzone: Auslauf auf andere Dachflächen
Darf das Regenwasser auf tiefer liegende Dachflächen abgeleitet werden? Eine häufig gestellte Frage. Grundsätzlich „kann in Ausnahmefällen das Regenwasser gemäß der DIN 1986-100:2008-05 Punkt 6.3.3 über freie Ausläufe auf niedrigere Dachflächen abgeleitet werden….“

Allerdings sieht der Kommentar zur DIN 1986-100 diesen Punkt etwas differenzierter. Nach dem Punkt 5.3.1 (5) und (6) sowie 6.3.3 des Kommentars ist die Ableitung des Regenwassers sowohl von der Haupt- als auch von der Notentwässerung auf andere Dachflächen nicht zulässig. Punkt 5.3.1 (5): „… Das … anfallende Regenwasser … darf nicht auf tiefer liegende Dachflächen abgeleitet werden.“ Punkt 5.3.1 (6): „… Das Regenwasser aus der Notentwässerung ist frei auf schadlos überflutbare Grundstücksflächen abzuleiten. Es darf … nicht auf andere Dachflächen … abgeleitet werden.“

Die Ableitung des Regenwassers muss schnell und kontrolliert erfolgen. So heißt es gemäß des Kommentars Punkt 6.3.3: „Umwege über andere Dachflächen bergen zusätzliche Gefahren und sind zu vermeiden.“ Die Ableitung auf anderen Dachflächen ist gemäß der DIN 1986-100 in Ausnahmefällen möglich, aber gemäß des Kommentars zu dieser Norm zu vermeiden. Somit ergeben sich planerische Freiheiten, wobei der „gesunde“ Menschenverstand im Vordergrund stehen sollte.

Eine Kaskaden-Entwässerung kann u. a. folgende Gefahren bergen: Überflutung der tiefer liegenden Fläche, Eindringen des Regenwassers ins Gebäude über Türen, Rinnen und Attikaanschluss, statische Überlastung der tiefer liegenden Fläche. Aber: Aus Kostengründen und insbesondere bei der Sanierung wird oftmals der Auslauf auf tiefer liegende Dachflächen planerisch vorgesehen und auch ausgeführt.

Stellungnahme: Kaskadenentwässerung vermeiden
Sowohl der Planer als auch der Ausführende sind beim Versagen der „Kaskaden-Entwässerung“ angreifbar. Auf Grund der nicht einsehbaren baulichen Gegebenheiten und der nicht kalkulierbaren Gefahren vertritt z. B. die Sita Bauelemente GmbH als Hersteller von Dachabläufen die Ansicht, dass ein Auslauf auf tiefer liegende Dachflächen grundsätzlich nicht zu beraten und nicht zu planen ist.

Grauzone: Wasseranstau größer als 100 mm
Eine häufig gestellte Frage: Wie hoch darf der maximale Wasseranstau bzw. die maximale Wassersäule sein, mit der ein Flachdach regelkonform entwässert werden kann? Bei der Berechnung von Flachdachentwässerungsanlagen ist bekannterweise ein maximaler Wasseranstau anzunehmen, gegebenenfalls wird diese Last auch vom Statiker vorgegeben. Zur Reduzierung der Notentwässerung und/oder weil die Statik des Daches „das mit macht“, wird dabei immer häufiger eine Wassersäule größer als 100 mm vom Planer angegeben. Ist das zulässig? Kein uns bekanntes Regelwerk verweist auf eine genaue maximale Höhe der Wassersäule für die Regenentwässerung. Lediglich die DIN 18195 Teil 5 Punkt 6.5 gibt Hinweise darauf, dass „bei planmäßiger Anstaubewässerung der Wasserstand maximal 100 mm betragen darf.“ Hierbei handelt es sich um die Bewässerung der Dachbegrünungskulturen und nicht um eine Regenentwässerung.

Allerdings könnte diese Aussage zu der Annahme führen, dass generell eine Wassersäule von größer 100 mm nicht überschritten werden darf. Die DIN 18531 sagt lediglich aus, dass die Abdichtung den zu erwartenden Beanspruchungen genügen muss. Die Frage, die wir uns hier stellen müssen, und die Herstellern oft gestellt wird, lautet: Wird sich ein selten und kurzfristig vorkommender Wasseranstau größer als 100 mm schädigend auf die Dachabdichtung auswirken?

Stellungnahme: Leistungsfähigkeit der Abdichtung klären
Aus Sicht der Dachablaufhersteller kann man diese Frage nicht zufriedenstellend beantworten. Die Beantwortung der Frage sollte im Verantwortungsbereich des Herstellers des Abdichtungsmaterials liegen. Erreichen uns Anfragen, bei denen ein Wasseranstau von größer als 100 mm thematisiert wird, weisen wir darauf hin, dass das Bauwerk/das Dach ggf. gemäß der DIN 18195-6 „Abdichtung gegen von außen drückendes Wasser und aufstauendes Sickerwasser, Bemessung und Ausführung“ auszuführen ist.

Grauzone: Schwitzwasserdämmung
Benötigen innenliegende Regenentwässerungsleitungen eine Schwitzwasserdämmung? Oder kann man sich diesen Zusatzaufwand sparen? Die Praktiker, die dieses Thema ansprechen, hoffen immer auf ein „es geht auch ohne“. Aber so eindeutig ist diese Fragestellung nicht zu beantworten. Den entsprechenden Regelwerken zufolge ist eine Schwitzwasserdämmung in diesem Bereich grundsätzlich dann umzusetzen, wenn die Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit dies erfordern.

In der DIN EN 12056-3:2001-01 Pkt. 7.6.6 heißt es: „Wo Schwitzwasserbildung Probleme bereiten kann, sind Regenwasserleitungen innerhalb von Gebäuden zu dämmen.“ Auch die DIN 1986-100:2008-05 Pkt. 6.3.2 lässt hier Interpretationsspielraum. Sie gibt vor: „Innenliegende Regenwasserleitungen müssen gegen Schwitzwasserbildung gedämmt werden, falls die Temperaturen im Gebäude und die Luftfeuchtigkeit dies erfordern.“ Entscheidend für die Betrachtung dieser Problemstellung ist sowohl die Temperatur an der Rohroberfläche als auch die Raumluftfeuchtigkeit. Wird die Taupunkttemperatur an der Rohroberfläche unterschritten, entsteht Schwitzwasser (Kondensat). Nach dem Kommentar (4. Auflage 2008) zur DIN 1986-100 „muss bei einer Rohroberflächentemperatur von 5°C ab einer Raumlufttemperatur von 20°C und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 30 % mit Schwitzwasserbildung gerechnet werden.“ Bedingt durch die Bautechnik ist speziell bei Neubauten in der Anfangszeit eine hohe Feuchtigkeit in den Baukörpern (Beton, Estrich, Putz etc.) vorhanden. Diese Feuchtigkeit wird an die Raumluft abgegeben. Die relativ hohe Feuchtigkeit reduziert sich aber im Laufe der Zeit durch die normale Trocknung, bzw. durch die normale Nutzung des Bauwerks. Dieser Effekt wird speziell in zwangsbelüfteten Gebäuden durch die Konditionierung von relativ trockener Luft verstärkt. So sind diese Gebäude in relativ kurzer Zeit so trocken, dass in aller Regel keine Gefährdung durch Schwitzwasserbildung entsteht.

Stellungnahme: Von Fall zu Fall entscheiden
Über die Notwendigkeit einer Schwitzwasserdämmung kann somit nur dann entschieden werden, wenn die drei Parameter Rohroberflächentemperatur, Raumlufttemperatur sowie die relative Luftfeuchtigkeit bekannt sind. Da speziell die Rohroberflächentemperatur stark von der Außentemperatur, die Raumlufttemperatur und die relative Luftfeuchtigkeit von der Nutzung abhängt, muss immer eine Einzelfallbetrachtung herangezogen werden.

Auch für Schulgebäude könnte ein außergewöhnlicher Schutz gefordert werden. Grauzone: Außergewöhnliches Maß an Schutz für ein Gebäude Der Umfang einer Regen- und Notentwässerungsanlage ist abhängig von der Definition des Schutzziels. Wird ein außergewöhnliches Maß an Schutz für ein Gebäude gefordert, müssen differenziertere Berechnungsgrundsätze angesetzt werden. Die DIN EN 12056-3 Punkt 4.2.1 fordert, dass statistische Regenspenden zu verwenden sind, sofern diese vorliegen. Sollten diese nicht vorliegen, muss gemäß dieser Norm Punkt 4.2.2 eine „minimale Berechnungsregenspende als Basis…“ angesetzt und mit einem Sicherheitsfaktor multipliziert werden. Der Sicherheitsfaktor ist abhängig von der Situation. So sind nach Tabelle 2 der DIN EN 12056-3 z. B. „innenliegende Dachrinnen in Gebäuden, wo ein außergewöhnliches Maß an Schutz notwendig ist, z. B. Krankenhäuser/Theater, sensible Kommunikationseinrichtungen, Lagerräume für Substanzen, die durch Nässe toxische oder entflammbare Gase abgeben, Gebäude, in denen besondere Kunstwerke aufbewahrt werden“ mit einem Sicherheitsfaktor von 3,0 zu berechnen.

Stellungnahme: Persönliches Schutzziel als Kriterium
In Deutschland liegen statistische Regenspenden vor, die gemäß der DIN 1986-100 zur Berechnung einer Regenentwässerungsanlage angesetzt werden müssen. Dadurch entfällt hier die Berücksichtigung eines Sicherheitsfaktors. Die Notentwässerung sollte jedoch bei Gebäuden mit einem außergewöhnlichen Maß an Schutz „allein den Jahrhundertregen r(5,100) entwässern können.“ Vortrefflich lässt sich über die Definition „Außergewöhnliches Maß an Schutz für ein Gebäude“ streiten. Hinweise liefert die Tabelle 2 der DIN EN 12056-3 (siehe auch oben). Prinzipiell muss aber der Gebäudebetreiber bzw. Bauherr sein persönliches Schutzziel vorgeben. Erst dann kann der Planer einer Entwässerungsanlage entsprechend handeln.

Fazit: Lieber gleich regelgerecht
Arbeiten in der Grauzone der Bestimmungen kann gut gehen, muss aber nicht. Auch wenn finanzielle Zwänge und Gebäudegegebenheiten eine „kreative Auslegung“ der Regelwerke nahelegen, sollte langfristige Schadens- und Reklamationsfreiheit das übergeordnete Ziel sein. Wer bei Entscheidungen in Grenzbereiche kommt, sollte sich zuerst mit den Spezialisten auf Seiten der Industrie beraten. Lässt sich kein eindeutiger, rechtssicherer Standpunkt eruieren, ist ein klares Nein zu einer zweifelhaften Lösung auf jeden Fall die bessere Antwort. Unabhängig davon, ob man sich Chancen ausrechnet, aus nervenaufreibenden Rechtsstreitigkeiten als Sieger hervorzugehen, steht langfristig gesehen auch die Reputation des Betriebes auf dem Spiel.

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